Dillenburg-Donsbach (red). Freitagvormittag. Im Dorfladen Donsbach herrscht Hochbetrieb. Kasse bedienen. Frische der Ware kontrollieren. Regale neu bestücken. Lieferung entgegennehmen. Seit über einem Jahr betreibt die Lebenshilfe Dillenburg den kleinen Supermarkt. Einen Ort mit einer besonderen Atmosphäre.
Fünf Menschen mit psychischen Erkrankungen aus der Reha-Werkstatt Haiger, zwei ausgebildete Einzelhandelskaufleute und zwei Minijobber bilden das Dorfladen-Team. „Hauptziel ist es, mit dem Projekt interessante Arbeitsplätze und alltägliche Begegnungen zu schaffen“, betont Monika Mundt, Einrichtungsleiterin der Reha-Werkstatt. „Um das weiter umsetzen zu können, sind wir darauf angewiesen, dass die Donsbacher auch in Zukunft so engagiert in dem Laden einkaufen.“
Die Donsbacher selbst sind dankbar für die Nahversorgung. „Ich bin froh, dass es den Dorfladen gibt“, sagt Kundin Angie Fehling-Schneider. Ob es einen Unterschied macht, dass die Menschen, die hier beschäftigt sind, eine Behinderung haben? „Nein.“ Nach einem kurzen Moment: „Obwohl, doch. Sie sind meistens noch freundlicher als Menschen ohne Behinderung.“
Und auch für die Mitarbeiter des Ladens wie etwa Dr. Markus Mencke stellt der Dorfladen eine Bereicherung dar: „Die Arbeit hier ist was Tolles. Ich freue mich jeden Tag, wenn ich zur Arbeit fahre. Da ich kein gelernter Kaufmann bin, ist das auch eine Herausforderung für mich.“ Eine neue Erfahrung für die Beschäftigten: der direkte Kundenkontakt. „Man bekommt unmittelbare Rückmeldung – im Positiven wie im Negativen. Am Anfang waren einige schon skeptisch und besorgt, ob unsere Beschäftigten das schaffen“, blickt Mundt zurück. „Mittlerweile sind sie viel selbstbewusster und toughe Dienstleister geworden.“
Den Eindruck bestätigt auch Einzelhandelskauffrau Melanie Rathschlag: „Unsere Beschäftigten haben ihre anfängliche Schüchternheit abgelegt. Sie entwickeln tolle Ideen, und unser Ziel ist es, dass sie bald sogar selbst in der Lage sind, Bestellungen am Computer zu tätigen.“ Nach 19 Jahren als Führungskraft in einem Discounter ist der Dorfladen für die Beilsteinerin eine ganz andere Welt, wie sie sagt. Ihr Fazit nach über einem Jahr Arbeit mit behinderten Menschen: „Wir arbeiten sehr nah und in engem Austausch miteinander. Und wir können uns als Team absolut aufeinander verlassen. Wichtig ist es für Eileen Fahrenbach und mich als Hauptamtler, unsere Mitarbeiter ganz individuell da abzuholen, wo sie aufgrund ihrer psychischen Einschränkung stehen. Man kann nicht alles hundertprozentig vorab planen, aber man lernt, flexibel auf alles zu reagieren.“
Was ist Mindesthaltbarkeit? Wie kleidet man sich? Wie wird die Kasse bedient? Was gibt es über Produkte zu wissen? Mit theoretischen Grundlagen hat bei den fünf Werkstattbeschäftigten damals alles angefangen. Ein gewisses Maß an Eigenverantwortung sei ebenfalls Voraussetzung für die Mitarbeit im Laden gewesen, erklärt die Leiterin der Reha-Werkstatt. Eine besondere Anforderung der Praxis: auch im Stress immer freundlich zu bleiben. „Das ist ja ein Service hier“, freut sich eine Kundin über die aufgehaltene Tür beim Eintreten. „Der Dorfladen tut den Leuten hier gut. Vor allem den Älteren.“
1500 verschiedene Produkte befinden sich in den Regalen auf einer Ladenfläche von 70 Quadratmetern. Zweimal wöchentlich wird bestellt, zweimal wöchentlich geliefert. Ein Markenzeichen des Dorfladens: lokale Produkte. Suppenhühner, Back- und Fleischwaren, Honig, Schnaps, Senf – alles aus der Region. Außerdem hat der Dorfladen einen Orangenbaum in Spanien adoptiert, dessen Früchte in Donsbach verkauft werden. Der neue Dorfladen ist das zweite Projekt dieser Art für die Lebenshilfe Dillenburg. 2010 übernahm sie bereits das Lädchen in Nanzenbach.