Es surrt leise im Besprechungsraum in der Werkstatt Oberscheld. Die Düse fährt ihre Bahnen über die Fläche und trägt wie eine Spritzpistole fein säuberlich Schicht für Schicht auf. Restzeit: zwei Stunden, 46 Minuten. Dann ist sie fertig, die Arbeitshilfe für einen Auftrag des Torbauers Bothe-Hild. Eine von vielen unterstützenden Vorrichtungen für Menschen mit Behinderung, die seit Anfang des Jahres in Oberscheld entstanden sind.
Schablonen, Schraub- und Steckhilfen – „es gibt nichts, was der 3D-Drucker nicht anfertigen kann, sofern man ihm die entsprechende Zeichnung liefert“, erklärt Werkstattleiter Stefan Betz, der sich für die Anschaffung eines solchen 3D-Druckers eingesetzt hat. „In der Werkstattleiter-Runde kam das Thema im vergangenen Jahr auf, aber es war schnell klar: Das kriegen wir nicht durch, solange wir niemanden haben, der solche Zeichnungen anfertigen kann.“ Da ihn das Thema und seine Chancen so begeisterten, nutzte er kurzerhand die Betriebsferien, lud sich ein kostenloses CAD-Programm herunter und brachte sich selbst die digitale Konstruktion bei. „Ich bin schon ein Tüftler, der auch großen Spaß daran hat, Dinge auszuprobieren. Darüber hinaus war ich selbst viele Jahre Gruppenleiter und kenne die Arbeit unserer Beschäftigten.“
Und darum geht es nämlich: um die Beschäftigten. Die verschiedenen Produktionsschritte in den Werkstätten sollen möglichst vielen Menschen mit Behinderung zugänglich gemacht werden. Unabhängig davon, wie die haptischen oder kognitiven Fähigkeiten des Einzelnen sind. Dafür braucht es häufig Unterstützung. Bestes Beispiel: Ein Produktionsschritt für Dometic-Sicherungskästen sieht vor, dass in die eine Reihe blaue, in die andere Reihe schwarze Litzen gesteckt werden. Das hat bei einigen Beschäftigten häufig für Verwechslungsgefahr gesorgt. Aus diesem Grund hat Betz mithilfe des Druckers eine verwechslungssichere Steckhilfe angefertigt. „Das kommt bei unseren Leuten schon gut an. Da kriegt man dann zu hören: Das ist ja jetzt viel einfacher.“
Einfacher und auch verletzungssicherer. Betz achtet nämlich bei seinen Konstruktionen zum Beispiel stets darauf, dass Ecken nicht scharf, sondern abgerundet gedruckt werden. Der 3D-Drucker bringt noch weitere Vorteile mit sich. Die Dillenburger Werkstätten sind weniger abhängig von externen Dienstleistern und sind, wenn die Vorlage erst einmal digital entworfen ist, flexibel in der Stückzahl.
Soll die Arbeitshilfe einen Hohlraum haben, soll sie besonders stabil oder eher biegsam sein – all das lässt sich über den 3D-Drucker festlegen. „Die Arbeitshilfen machen einfach auch optisch was her“, sagt Betz, der eine frühere Steckhilfe aus Holz und eine neugedruckte aus Onyx, mit Mikrokohlefaser gefülltes Nylon, und mit eingraviertem Schriftzug auf seinem Schreibtisch nebeneinanderlegt.
„Und teuer sind unsere bisherigen Ausdrucke nicht“, so Betz. Einige Stücke bewegen sich gerade einmal bei 80 Cent Materialkosten. Für Zeichenentwürfe braucht der Werkstattleiter mittlerweile durchschnittlich etwa eine halbe Stunde. Nach ein paar anfänglichen Fehlversuchen sitzen die Handgriffe in der Zeichnung inzwischen schon deutlich sicherer. „Den Rest der Arbeit erledigt dann der Drucker, und das macht er manchmal auch nachts.“
Was Betz sich wünscht: dass auch der eine oder andere Beschäftigte künftig selbst Arbeitshilfen konstruieren und vom Drucker erstellen lassen können. „Das wäre der Hammer.“ Von Seiten der Werkstätten hat Betz bereits einige Aufträge erhalten, die er gern umgesetzt hat. „Dennoch ist das natürlich nicht mein Tagesgeschäft. Und wir stecken schon noch in den Kinderschuhen, daher sind zum Beispiel auch Anfertigungen für Privatkunden noch nicht möglich, aber dass wir jetzt selbstständig solche professionellen Arbeitshilfen produzieren können, ist schon toll.“