„Du bist schwer in Ordnung, Mario.“ Der junge Mann mit Down-Syndrom gibt seinem Gruppenleiter einen freundschaftlichen Klaps. Mario Straub ist beruflich angekommen. Nach unruhigen Jahren hat der 46-Jährige vor einem Jahr einen Neustart gewagt – in den Dillenburger Werkstätten.
Gemeinsam mit seinem Kollegen Ralf Bonorden betreut er dort 18 Menschen mit Behinderung. „Eine fordernde und auch anstrengende Aufgabe“, wie er sagt. Aber eine, die ihn erfüllt. „Ich merke an mir, dass ich viel entspannter bin und mich am Wochenende schon auf Montag freue. So etwas kenne ich von mir gar nicht.“
Straub ist gelernter Kfz-Meister und Serviceberater, hat im Laufe der Zeit in zahlreichen Autohäusern gearbeitet. „Aber ist das das Richtige für mich? Was kann ich machen, was will ich machen? Diese Fragen habe ich mir immer häufiger gestellt.“ Dann sah er die Stellenausschreibung der Lebenshilfe Dillenburg. Gesucht: Gruppenleitung in der Werkstatt in Eibelshausen. „Die Lebenshilfe war mir nicht unbekannt, denn meine Mutter hat als Hauswirtschafterin in der Werkstatt in Oberscheld gearbeitet. Dass sie am liebsten überhaupt nicht in Rente gehen wollte, war schon ein gutes Zeichen für mich.“ Also bewarb er sich auf die Stelle. Hospitierte. Und bekam den Job.
Auch wenn er zuvor schon mehrfach Berührungspunkte zu Menschen mit Behinderungen hatte, war die Aufgabe in der Werkstatt nun eine völlig neue für ihn. Und eine sehr vielseitige, da industrielle Fertigung und pädagogische Begleitung in den Werkstätten Hand in Hand laufen. „Ich musste zunächst einmal die ganzen verschiedenen Produktionsabläufe verinnerlichen“, blickt er auf die erste Zeit zurück. Aktenvernichtung, Herstellung von Sicherungskästen sowie von Geruchsverschlüssen für Wohnmobile – nur einige der Produktionen, die die Beschäftigten in den Dillenburger Werkstätten verrichten. „Jetzt, da ich das alles besser kenne, habe ich mehr Zeit fürs Eigentliche: für die Beschäftigten da zu sein.“
Die Beschäftigten sorgen bei Straub täglich für Überraschungen. „Allein schon durch ihre Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit und Direktheit“, sagt er. „Davon können sich andere Menschen wirklich eine Scheibe abschneiden.“ Die Klientel ist breit gefächert. Das ist häufig eine Herausforderung: „Etwa wenn man vor sich einen Mann wie einen Bären stehen hat, der aber auf dem geistigen Stand eines Kleinkindes ist. Mit dieser Diskrepanz muss man erst einmal klarkommen.“ Er lerne jeden Tag etwas Neues, stellt er fest. Insbesondere, was die Beziehungsarbeit angehe. „Das kann lange dauern. Das braucht Geduld. Für mich ist es schon hilfreich, jetzt nicht mehr als der Neue wahrgenommen zu werden.“ Grenzen setzen, Reaktionen einkalkulieren, auf kleinste Veränderungen achten. „Das mache ich im Moment noch eher intuitiv und mache dabei natürlich auch noch ein paar Fehler, habe aber zum Glück erfahrene Kollegen, mit denen ich mich jederzeit austauschen kann.“ Was jetzt noch intuitiv geschieht, soll künftig von fachlichem Wissen gestützt werden – durch die Zusatzausbildung zur Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung“ (FAB), die er als Quereinsteiger parallel zur Arbeit noch blockweise absolvieren wird.
„Ich bin sehr froh, dass ich jetzt hier bin“, betont er. „Eine bessere Entscheidung hätte ich nicht treffen können.“ Wem er einen solchen Job ebenfalls empfehlen würde? „Menschen, die tolerant, gelassen und straight sind und Humor haben. Denn gelacht wird hier sehr viel.“