„Ich finde das großartig.“ Der SPD-Landtagsabgeordnete Stephan Grüger gerät ins Schwärmen, während er im Nanzenbacher Dorfladen von Regal zu Regal schreitet. Regionalität und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – dafür steht der Dorfladen, der seit sieben Jahren von der Lebenshilfe Dillenburg betrieben wird. „Davon brauchen wir mehr“, urteilt der Politiker. Doch kleine Lebensmittel-Geschäfte wie dieses haben es zunehmend schwer.
„Hallo Robert.“ – „Hallo Ursula, wie geht’s?“ – „Hallo Käthe, alles gut?“
Familiär geht es im Dorfladen zwischen Verkäufern und Kunden zu. Man kennt sich. Seit sieben Jahren betreibt die Lebenshilfe Dillenburg die rund 110 Quadratmeter große Geschäftsfläche. Angedockt ist der Laden an die Lebenshilfe-Werkstatt in Eibelshausen. „Unser Anspruch ist, dass sich das Ganze finanziell tragen muss, sonst ist es keine Arbeit“, erläutert Ralf Turk, Bereichsleiter der Dillenburger Werkstätten. „Dafür müssen wir einiges tun.“
„Wir sind erreichbar für die Menschen, die weniger mobil sind“
Kleine Läden wie dieser haben keinen leichten Stand. Trotz des großen Zuspruchs in der Nachbarschaft: „Hier im Ort werden wir sehr positiv angenommen“, erzählt Dorfladen-Chefin Sibylle Werner. „Kürzlich hatten wir drei Wochen wegen Renovierungsarbeiten geschlossen. Wenn man samstags dann keine frischen Brötchen bekommt, fällt das schon auf.“ Neben einem gut bestückten Sortiment und fairen Preisen zeichnet den Dorfladen laut Ralf Turk noch mehr aus: „Zum Beispiel Regionales wie etwa unsere Hühnereier, das unterscheidet uns von vielen großen Supermarktketten, und wir sind erreichbar für die Menschen, die weniger mobil sind.“
Stephan Grüger ist der Erhalt der kleinen Läden um die Ecke ein besonderes Anliegen: „Wir brauchen mehr Konzepte für die ländliche Infrastruktur. Das Problem wird sich allgemein verschärfen: Die großen Supermärkte werden immer größer, erweitern ihren Einzugsbereich und die kleinen Läden gehen pleite. Zu gleichwertigen Lebensverhältnissen zwischen Stadt und Dorf gehören aber zwangsläufig Läden wie dieser dazu.“
Der Nanzenbacher Dorfladen bietet jedoch nicht nur Einkäufe direkt vor der Haustür, er bietet auch Teilhabe für Menschen wie Niklas R. – einen von drei Mitarbeitern mit Behinderungen im siebenköpfigen Team. Seit einem Jahr ist er im Dorfladen tätig. Kassieren, Kunden beraten, Lieferungen abzeichnen und einsortieren, Mindesthaltbarkeit überprüfen – das sind seine täglichen Aufgaben, seitdem er von der Reha-Werkstatt in Haiger auf diesen Außenarbeitsplatz gewechselt ist. Der 43-Jährige hatte vor seiner Zeit in der Werkstatt eine kaufmännische Ausbildung absolviert und danach ein Physikstudium begonnen. „Dann hat meine Psyche gesagt: Es reicht.“
Marktleiterin ist die feste Anlaufstelle für Menschen mit Behinderungen
Heute ist Niklas R. für den Laden eine große Bereicherung, nicht nur weil er immer wieder sein fachkundiges Wissen über Wein einbringt. Die Arbeit macht ihm Spaß, auch wenn er manchmal psychisch an seine Grenzen kommt, wie er sagt. Da hilft in der Regel ein einfaches Mittel, wie Sibyllle Werner weiß: „Ruhe.“ Die Leiterin des Dorfladens ist laut Ralf Turk gleichzeitig die „feste Burg vor Ort, die die Kollegen begleitet und anleitet.“ Enorm wichtig, um gerade die für die Menschen mit Behinderungen eine verlässliche Anlaufstelle zu sein.
„Ich nehme viele tolle Eindrücke von hier mit“, teilt Stephan Grüger abschließend mit. Sein Besuch im Dorfladen ist Teil des „Praxistag“-Konzepts: Vierteljährlich verschaffen sich hessische Landtagsabgeordnete auf diesem Weg einen Einblick in lokale Betriebe.